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Kommentar: Die Störerhaftung ist de facto am Ende

Dank der Störerhaftung können Inhaber eines Internetanschlusses für Urheberrechtsverletzungen haftbar gemacht werden. Der Bundesgerichtshof hat die Störerhaftung aber nun eingeschränkt. Und auch eine Erweiterung des Providerprivilegs und ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs weichen diese weiter auf. Auch Deutschland könnte somit endlich zu einem Land werden, indem offene und kostenlose Webzugänge via WLAN die Norm sind.

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Der Bundesgerichtshof hat ein Urteil zur Störerhaftung gefällt, das die Rechte der Bürger stärkt. Denn diesem Urteil zufolge benötigt es nur zwei Sachverhalte, um die Störerhaftung für sich als Privatperson ausschließen zu können: eine standesgemäße WLAN-Verschlüsselung im Router, Access Point oder Repeater und ein sicheres Passwort. Bei letzterem stellte der Bundesgerichtshof in seinem Urteil fest, dass dafür auch das voreingestellte Passwort vom Hersteller des Geräts, das auf der Außenseite angebracht ist, ausreicht – sofern dieses Passwort einzigartig ist.

WPA2 und ein sicheres Passwort eliminieren Störerhaftung

Im Detail bedeutet dies: Als eine sichere Verschlüsselung der WLAN-Verbindung sieht das Gericht den Standard WPA2 an. Dieser ist bei beinahe allen Routern voreingestellt und muss vom Inhaber des Internetanschlusses in der Regel nicht manuell festgelegt werden. Außerdem muss das Passwort „sicher“ sein. Gemeinhin bedeutet dies, dass das Passwort aus mindestens zwölf Zeichen besteht, wobei Sonderzeichen, Zahlen und die Groß- und Kleinschreibung berücksichtigt werden. Außerdem sollte dieses Passwort keinem Wort ähneln, dass man im Wörterbuch findet. Das voreingestellte WLAN-Passwort (in der Regel 16 Zahlen oder eine Kombination aus 16 Ziffern und Zeichen) reicht dem Urteil zufolge für den Ausschluss der Störerhaftung aus, wenn der Hersteller dieses Passwort für jedes Gerät einzeln generiert und es nicht für mehrere Geräte verwendet. Andernfalls muss unbedingt ein eigenes Passwort gewählt werden.

Die Störerhaftung wurde eingeführt, um Inhaber eines Internetzugangs dazu verpflichten zu können, ihren Zugang zum Internet gegenüber der unbefugten Nutzung Dritter abzusichern. Bei Straftaten im Netz oder terroristischen Bedrohungen soll es dadurch möglich sein, eine verantwortliche Person über die IP-Adresse zurückverfolgen zu können. Sichert ein Inhaber seinen Webzugang nicht ab, kann er oder sie selbst für über ihren Anschluss begangene Straftaten haftbar gemacht werden.

Die Störerhaftung verhinderte bisher offenes WLAN in Deutschland

Von Anfang an kritisierten Netzaktivisten und Datenschützer diese Störerhaftung aus verschiedenen Gründen. So stand beispielsweise bereits vor Umsetzung der Störerhaftung der Verdacht im Raum, dass es mitnichten vorrangig um die Verhinderung von oder um eine Ermittlungshilfe bei schweren Straftaten geht. Stattdessen wurde vermutet, dass mit der Störerhaftung vor allem die Interessen von Rechteinhabern geschützt werden sollen. Denn dank des Prinzips der Störerhaftung ist es für Rechteinhaber deutlich einfacher Klagen wegen Verstoßes gegen das Uhreberrecht einzureichen, weil immer ein Verantwortlicher, nämlich im Zweifelsfall der Inhaber des Internetanschlusses, ermittelt werden kann.

Da ist es auch keine Überraschung, dass das aktuelle Urteil des Bundesgerichtshofs (Aktenzeichen I ZR 220/15) auch genau in so einem Fall gefällt wurde: Es ging um das illegale Anbieten des Filmes „Expandables 2“ auf einer Filesharing-Plattform Ende 2012. Der Inhaber des Internetzugangs hatte das voreingestellte WLAN-Passwort seines in 2012 gekauften Routers nie geändert und konnte glaubhaft versichern, dass es nicht er war, der diesen Film angeboten hatte, sondern sich unbekannte Dritte Zugang zu seinem WLAN verschafft hatten. Der deutsche Rechteinhaber des Filmes versuchte deshalb den Inhaber des Webzugangs über die Störerhaftung für entstandene finanzielle Einbußen zu belangen. Dies scheiterte nun, da der Kläger nicht nachweisen konnte, dass dieses Passwort und die Verschlüsselung nicht sicher seien. Das Urteil ist bereits rechtskräftig. Eine Revision wurde zurückgewiesen.

Die Störerhaftung wurde in diesem Jahr bereits vom Gesetzgeber und vom Europäischen Gerichtshof aufgeweicht. So wurde das Providerprivileg im Telemediengesetz ausgeweitet. WLAN-Betreiber dürfen nun anderen Anwendern die Nutzung des WLANs und damit den Zugang zum Internet zur Verfügung stellen ohne von der Störerhaftung betroffen zu sein, sofern sie ein Passwort einrichten. Außerdem urteilte der Europäische Gerichtshof erst im vergangenen September, dass Inhaber von Geschäften nicht für die Urheberrechtsverletzungen ihrer Kunden verantwortlich gemacht werden können, wenn sie diesen einen kostenlosen offenen Zugang zum Internet via Wi-Fi ermöglichen. Damit dürfte nun endlich auch in Deutschland das Zeitalter offener Wi-Fi-Netze anbrechen, dank derer Nutzern an vielen Orten ein schneller Zugang zum Internet zur Verfügung stehen kann – so wie es in vielen anderen Ländern bereits der Fall ist. Denn hierzulande wurde dies unter anderem durch die Störerhaftung verhindert.

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"WPA2 und ein sicheres Passwort eliminieren Störerhaftung“

Schön, dass es damit möglich wird WLANs anderen ohne das Risiko einer Störerhaftung bereitzustellen. Ich frage mich aber, wieso Maßnahmen zur Abschottung eines WLANs vor unberechtigten Zugriffen die Bereitstellung offener WLANs fördern soll?

Offen wird ein WLAN ja nur, wenn jedermann die Möglichkeit hat das WLAN zu nutzen. Wenn aber jeder das WLAN nutzen kann, wieso sollte man dieses mit einem Kennwort vor unberechtigter Nutzung schützen wollen? Für die Rechteinhabern die bisher über die Störerhaftung den Anschlußinhaber verklagten macht es keinen Unterschied ob ein individuelles Kennwort für den Zugriff auf ein WLAN jedermann zur Verfügung steht oder ob gar kein Kennwort benötigt wird.

Für mich gibt es eigentlich nur eine sinnvolle Erklärung für diese Regelung - es geht nicht um die Störerhaftung sondern um den Schutz der Finanzierungsquelle für Provider.

Wenn man nämlich vor hat einen Verbund an WLAN-Hotspots für die kostenlose Nutzung aufzubauen, dann ist dieses mit den genannten Regeln nicht möglich da unterschiedliche WLAN-Betreiber unterschiedliche Kennwörter verwenden müssen. Somit muss der Anwender für jeden Hotspot den er nutzen möchte eine manuelle Konfiguration vornehmen. Für den Fall, dass sich zwei WLAN-Betreiber denselben WLAN-Namen (SSID) verwenden, muss der Anwender die Eingabe des WLAN-Kennwortes sogar bei jedem Wechsel erneut eingeben.

Somit sind kooperative WLAN-Netze, in die sich alle Nutzer-Geräte automatisch einbinden juristisch nicht korrekt realisierbar, da diese technisch dieselbe SSID und dasselbe WLAN-Kennwort verwenden müssten.

Ich würde daher nicht von offenen sondern nur von kostenlosen WLAN sprechen die durch die neue Regelung der Störerhaftung ermöglicht werden.

Die Bedeutung der Entscheidung für Fälle des Filesharing ist begrenzt. Denn der BGH geht zunächst einmal von der Vermutung aus, dass der Anschlussinhaber die Rechtsverletzung begangen hat. Zur Störerhaftung – die eine Haftung für Rechtsverletzungen Dritter ist – gelangt man überhaupt erst dann, wenn man ausreichend darlegen kann, dass eine Rechtsverletzung durch einen Dritten ernsthaft und konkret in Betracht kommt. Wenn es sich hierbei um einen unbekannten Dritten handeln soll, der den Router gehackt hat, dann müssen die konkreten Umstände dargelegt werden, unter denen sich der Dritte den unberechtigten Zugang verschafft hat. Das ist im Zweifel kaum möglich. Im vorliegenden Fall wird sich der BGH mit dieser Frage vermutlich nicht näher befasst haben, weil er insoweit auf die Tatsachenfeststellungen der Vorinstanzen zurückgegriffen hat und an diese auch gebunden ist.

In den typischen Fällen des Filesharings wird diese Entscheidung den Anschlussinhabern also nicht helfen.

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