Quelle: https://www.tech.de/news/telekom-bringt-streamon-netzneutralitaet-gefahr-mich-nicht-stoert-10093617.html

Autor: Stefan Keller

Datum: 21.04.2017

Wort zum Donnerstag

Telekom bringt StreamOn: Ist die Netzneutralität in Gefahr und warum mich das nicht stört

Seit gestern gibt es bei der Telekom ein neues Angebot. Wer einen hinreichend hohen Magenta-Mobil-Tarif hat, kann kostenlos die Tarifoption „StreamOn” buchen. Je nach Tarif kann dann Musik oder sogar Video unbegrenzt gestreamt werden – solange noch Highspeed-Traffic übrig ist, zählen die Streams teilnehmender Partner nicht. Das Internet ist schockiert ob der Verletzung der Netzneutralität. Ich hingegen denke, dass die Diskussion (an der Stelle) überflüssig ist.

Da ist sie nun, die Tarifoption „StreamOn” und erwartungsgemäß hat es nicht allzu lange gedauert, bis über die Netzneutralität gemeckert wird. Da gibt es verschiedene Quellen für, aber ehrlich gesagt ist es für mich als Kunden an der Stelle überhaupt nicht tragisch, dass die Netzneutralität eingeschränkt wird.

Was ist „StreamOn”?

StreamOn ist eine Tarifoption für Telekom-Kunden, die einen geeigneten Mobilfunkvertrag haben. Sie erlaubt es, dass Audio- und ggf. auch Video-Inhalte ohne Anrechnung auf den monatlichen Traffic konsumiert werden können – und zwar auf dem mobilen Endgerät und in der App des Anbieters. Laut Telekom kann sich jeder Anbieter eines Streams kostenlos für den Dienst anmelden, Voraussetzung ist aber, dass Video-Codecs genutzt werden, die adaptive Bitraten unterstützen.

Denn wer den Magenta-Eins-Vorteil nicht nutzt (Festnetz und Mobilfunk bei der Telekom), wird im Tarif Magenta Mobil L bei den teilnehmenden Apps auf 480p gedrosselt, was in etwa DVD-Qualität entspricht und in den meisten Fällen auf dem Handy reicht. Für Magenta-Eins-Kunden entfällt die Einschränkung und Video-Streaming ist bereits ab Magenta Mobil M verfügbar.

Hilfe, die Netzneutralität ist in Gefahr!

Streng genommen passt das, was die Telekom mit StreamOn anbietet also in die Schublade „die Netzneutralität wird missachtet”. Dazu sage ich: Na und! Der Netzbetreiber übt sich darin, mit offenen Karten zu spielen. Jeder kann mitmachen, also hat primär niemand etwas zu verlieren.

Interessant ist dabei aber der Aspekt, dass niemand gezwungen ist, StreamOn zu buchen. Standardmäßig ist die Option deaktiviert und wer nicht gerade einen MagentaMobil-Tarif ganz frisch abgeschlossen hat, muss dafür gegenwärtig einen Tarifwechsel durchführen (der allerdings kostenlos ist und die Laufzeit nicht verlängert, wenn es sich ansonsten um denselben Tarif handelt). Ohne Magenta Eins tauscht man etwas größere Pixel gegen Freivolumen, das nicht heruntergezählt wird. Für den Kunden also gut.

Oder ... ist sie das?

Bei der Diskussion um die Netzneutralität bei StreamOn wird angeführt, dass nicht alle Pakete gleich behandelt werden. Audio- und Video-Inhalte von teilnehmenden Partnern werden künstlich verlangsamt und die adaptive Bitrate sorgt dafür, dass dennoch ein halbwegs ansehnliches Bild ankommt.

Kritiker sehen es schon kommen, dass ein Gericht die Option wieder kassieren wird. Ich bin mir da aber nicht ganz so sicher, denn es ist nicht verboten, sich bewusst und selbst einzuschränken (wer erinnert sich an Opera Mini?). Und genau das passiert bei StreamOn. Aber ja, vermutlich wird es darauf hinauslaufen, dass ein Gericht entscheiden wird, ob es sich hierbei um eine clever genutzte Gesetzeslücke handelt oder um einen Verstoß gegen die garantierte Netzneutralität.

Goldene Zeiten für Schwarzmaler

Obgleich es mir durchaus bewusst ist, dass die Netzneutralität bzw. deren Nichteinhaltung durchaus ein Missbrauchspotenzial an den Tag legt, so ist sie die Idee, Pakete je nach Bedeutung zu flaggen, keine ganz schlechte, jedenfalls nicht grundsätzlich. Denkbar wäre, dass Hintergrundanwendungen wie automatische Updates mit niedriger Priorität heruntergeladen werden, während Video-Streams eine hohe Priorität bekommen; das Update des Betriebssystems ist ohnehin mehr ein notwendiges Übel, aber wenn der Film puffert, ist das nervig.

Nun sieht das EU-Recht vor, dass die Netzneutralität zu wahren ist. Router wie die Fritz!Box unterstützen dennoch eine Priorisierung, allerdings nur auf Port- oder IP-Basis; man kann also dem SSH-Port (21) und dem Apple TV eine hohe Priorität zuweisen – aber man kann nicht bestimmen, dass das MacBook sein Update benachteiligt und YouTube dafür mehr Priorität einräumt, da beide Datenströme via HTTP(S) übertragen werden und damit für den Router gleich aussehen.

Bei der allzu oft leidenschaftlich geführten Diskussion um die Netzneutralität wird aber gerne auf die möglichen negativen Aspekte verwiesen: Der Dienstanbieter könnte ungeliebte Dienste wie Filesharing oder Streaming-Angebote bis zur Unbrauchbarkeit verlangsamen und womöglich eigene Angebote damit pushen. Sicher kann er das. Aber man kann auch mit einem Küchenmesser noch mehr als nur Brot schneiden.

TL;DR: StreamOn ist toll (für mich)

Letztendlich kann ich nur auf das eingehen, was ich sehe und nicht auf das, was sein könnte. In dem Fall halte ich StreamOn – aus Kundensicht – für eine tolle Sache. Ob dabei die Netzneutralität verletzt wird, ist mir in dem Fall herzlich egal, da ich keine Nachteile davon habe. Selbst, wenn ich kein Magenta Eins hätte, würde ich die gröberen Pixel in Kauf nehmen, denn mobil kann die YouTube-App die Qualität nicht ändern – und das kostet mich meinen monatlichen Traffic nach 10 Minuten, wenn die Qualität hinreichend gut ist.