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Crowdfunding-Projekte: So schützt ihr euch vor Betrügern

In den letzten 13 Monaten nahm die Zahl der Crowdfunding-Projekte massiv zu. Vor allem über die Webseiten von Indiegogo und Kickstarter wird versucht, die Herstellung von Smartwatches, Datenbrillen, Spielen, intelligenten Helmen und neuerdings sogar Smartphones zu finanzieren. Da man sein Geld allerdings an die Projekt-Verantwortlichen spendet, lädt das auch zu Missbrauch ein. Wir haben uns die Gefahren der Crowdfunding-Plattformen angeschaut und geben euch Tipps, wie man das Schlimmste vermeiden kann.

Crowdfunding-Projekte gibt es mittlerweile wie Sand am Meer. Egal, ob Filme, Geräte oder Spiele, jede Idee kann über Crowdfunding-Plattformen wie Kickstarter oder Indiegogo mit Spenden vorfinanziert werden. Dabei hat man als Projekt-Verantwortlicher im Vergleich zur herkömmlichen Finanzierung Vor- und Nachteile.

Als Entwickler und Erfinder muss man keinen Kredit bei einer Bank aufnehmen oder einen Investor suchen, der Mitspracherecht fordert und am Ende die Gewinne einstreicht. Zweitens bekommt man einen Eindruck davon, ob es überhaupt ein öffentliches Interesse am Projekt gibt, bevor man mit der Produktion startet. Der große Nachteil ist, dass man sich um Unterstützerbewerben muss, um das notwendige Startkapital zusammen zu bekommen. Das benötigt Zeit, Kreativität und auch ein wenig Glück.

Aber auch Spender stoßen auf Vor- und Nachteile. Bei vielen Projekten können sie Kleinigkeiten wie T-Shirts oder eine namentliche Erwähnung in den Credits erwerben. Außerdem gibt es das fertige Produkt für Spender oft für weniger Geld, als für alle regulären Käufer. Nach besonders großzügigen Geldgebern wird auch gelegentlich ein Charakter in einem Spiel oder Film benannt. Der große Nachteil für Spender ist, dass sie nicht sicher wissen können, ob aus dem Projekt etwas wird und ob sie ihr Geld zurückbekommen werden, falls nicht.

Ubuntu garantiert bei seinem Indiegogo-Projekt Ubuntu Edge zum Beispiel, dass alle Spender ihr Geld zurückbekommen, falls das Ziel von 32 Millionen US-Dollar nicht erreicht wird. Aber nicht alle Projekte verfahren auf diese Weise. Zwar wird bei den meisten Crowdfunding-Aktionen im Falle ihres Scheiterns zumindest ein Großteil des Geldes an die Spender zurück überwiesen, die Plattformen Indiegogo und Kickstarter selbst sind dafür aber nicht verantwortlich. So hängt es am Ende allzu oft von der Moral der Projekt-Verantwortlichen ab, ob man sein Geld wiedersieht oder eben nicht.

Erste Maßnahme: Die AGBs

Um Hochstapler zu vermeiden, sollte man sich zuerst einmal die Allgemeinen Geschäftsbedingungen von Webseiten wie Indiegogo und Kickstarter ansehen. Hier werden ausdrücklich nur Projekte erlaubt, bei denen am Ende ein Produkt steht. Es ist den AGBs zufolge verboten sogenannte „Fund-my-Life“-Kampagnen aufzumachen, um zum Beispiel die eigene Universitätsausbildung zu finanzieren. Auch illegale Projekte sind nicht erlaubt. Man kann also nicht seine eigene Marihuana-Plantage über Kickstarter aufbauen. Projekte, die potenziell gefährlich sein könnten, wenn nicht die richtige Expertise dahinter steht, sind ebenfalls nicht gestattet. Das betrifft unter anderem die Entwicklung von Medikamenten.

Auch Projekte, bei denen es um Versicherungen, soziale Netzwerke oder Wertpapiere geht, sind nicht erlaubt. Ziel ist es, durch Crowdfunding ein neues, innovatives und sicheres Produkt zu entwickeln. Von sämtlichen Projekten die diese Richtlinien nicht zweifelsfrei erfüllen und kein reales Produkt hervorbringen, sollte man Abstand nehmen, da man als Spender nicht überprüfen kann, ob das Geld nicht für andere Dinge missbraucht wurde.

Wie kann Missbrauch aussehen?

Natürlich versuchen die Betreiber von Kickstarter und Indiegogo offensichtlichen Missbrauch aktiv zu unterbinden. Tortzdem kommt immer wieder vor, dass ein Projekt alle Formalitäten korrekt erfüllt, am Ende das Geld aber weg ist, ohne, dass die Spender dafür etwas in den Händen halten. Meist passiert das, wenn der Wunsch der Vater des Projektes ist. Allzu oft will man das Produkt unbedingt haben und setzt sich deshalb gar nicht damit auseinander, ob das Projekt überhaupt realisierbar ist. Diesen Fehler machen hin und wieder auch die Projekt-Ersteller. Absichtlicher Missbrauch ist hier also oftmals gar nicht gegeben. Wir zeigen euch einige Schwierigkeiten, auf die man bei Crowdfunding-Projekten stoßen kann.

Der Fall Erik Chevalier

Erik Chevalier versuchte über Kickstarter sein nerdiges Brettspiel The Doom that Came to Atlantic City zu finanzieren und nahm innerhalb kürzester Zeit beinahe das Vierfache seiner veranschlagten 35.000 US-Dollar ein. Einige Zeit später erklärte Chevalier das Brettspiel dann für tot. Er entschuldigte sich bei allen Unterstützern und schob sein Versagen auf seine Naivität. Er habe jeden Fehler begangen, den er hätte begehen können, was dazu führte, dass das Geld größtenteils weg sei, er aber kein Produkt habe.

Nach seinen Aussagen lagen die Probleme an mehreren Stellen. Zum einen hatte er die Kosten massiv unterschätzt, zum anderen war er nicht in der Lage, sein Entwickler-Team kompetent zu führen. Zudem stieß er auf unerwartete Rechtsprobleme und technische Komplikationen, die Chevalier jedoch nicht genauer thematisierte.

Er versprach außerdem, die Spenden so weit wie möglich zurückzuzahlen, wenn seine finaziellen Rahmenbedingungen es zulassen. Chevalier klingt in seinen Statements aufrichtig frustriert und ihm ist möglicherweise kein absichtlicher Missbrauch vorzuwerfen. Ob er das Geld tatsächlich zurückzahlen kann ist allerdings fraglich, die Spender blicken wohl in die Röhre, weil der Projekt-Verantwortliche sein Soll nicht erfüllt hat.

Der Fall Alex Peake

Ein Projekt, bei dem von gezieltem Missbrauch gesprochen werden kann, ist Code Hero von Primer Labs. Das Spiel sollte ein Spiel über die Entwicklung von Spielen werden und erreichte auf Kickstarter 170.000 US-Dollar – und damit weit mehr, als die ursprünglich angepeilten 100.000 US-Dollar. Am Ende standen die Spender jedoch ohne Produkt da. Code Hero kam bis heute nicht auf den Markt und Alex Peake, der Chef von Primer Labs, tauchte zunächst unter. Einige Wochen später äußerte er sich zu dem Projekt und erklärte, dass die Kosten für das Spiel massiv unterschätzt wurden und es einfach nicht finanzierbar wäre. Das Geld sei allerdings weg.

Wiederrum etwas später kündigte Peake an, ein Code Hero MMO (Multi-Mass-Online-Game), ebenfalls über Crowfunding realisieren zu wollen. Zwischendurch gab es eine Alpha-Version des Spiels, aber auch sie ist wieder aus dem Internet verschwunden. Peake vertröstet seine Spender bis heute immer wieder und entschuldigt sich für die mangelnde Kommunikation. Mittlerweile kann man aber davon ausgehen, dass hier die Spender eindeutig und absichtlich betrogen wurden.

Die Fälle Ubuntu Edge und Susan Wilson

Sowohl das Ubuntu-Smartphone, das derzeit über Indiegogo finanziert werden soll, als auch das Rollenspiel-Projekt von Susan Wilsons Tochter erfüllen die AGBs von Kickstarter beziehungsweise Indogogo. Das Ubuntu-Projekt läuft noch und Ubuntu garantiert außerdem die Rückerstattung sämtlicher Spenden, sollte das Projekt scheitern. Das RPG (Rollenspiel) von Susan Wilsons 9-jähriger Tochter ist erfolgreich abgeschlossen und kann auf ihrer Webseite bestellt werden. Von Betrug kann hier also keine Rede sein. Warum fühlen sich einige Unterstützer aber trotzdem betrogen?

Weil bei beiden Projekten vermögende Personen dahinter stehen. Bei Ubuntu ist es der Milliardär Mark Shuttleworth, der das Projekt auch aus seiner Porto-Kasse finanzieren könnte. Susan Wilson ist ebenfalls Millionärin und hätte ihrer Tochter für ihr Rollenspiel die benötigten 1.000 US-Dollar auch einfach geben können. Stattdessen nutzen beide Verantwortlichen Crowdfunding.

Laut eigener Aussage, will Shuttleworth der Welt etwas beweisen. Er ist fest davon überzeugt, dass er und sein Team wissen, was die Menschheit wirklich will und möchte das anderen Smartphone-Herstellern mit dem größten Crowfunding-Projekt aller Zeiten beweisen. Ebenso verhält es sich mit Susan Wilsons Tochter. Ihr ganzes Projekt wirkt wie eine Erziehungsmaßnahme. Die Mutter versucht ihrem Kind beizubringen, dass man seine eigene Finanzierung organisieren muss, wenn man eine Idee umsetzen will. Dafür aber ist Crowdfunding nicht gedacht. Es soll den Menschen helfen, Ideen umzusetzen, die sich das nicht selbst leisten können.

Der Fall Smile Smartwatch

Auch hier erfüllte das Projekt sämtliche formalen Bedingungen. Das Produkt sprühte nur so vor Innovation und Ideenreichtum. Auch die Vorstellung auf Indiegogo wirkte äußerst professionell. Wenn man sich nicht sehr gut mit Technologie auskennt, hätte man meinen können, dass hier das nächste große Ding entsteht.

Bei genauerer Betrachtung wurde allerdings klar, dass die Smile Smartwatch so nicht in absehbarer Zeit existieren kann. Die Smartwatch besaß flexible Displays und Akkus, die es momentan höchstens als Prototypen gibt. Von Massenproduktion sind wir noch Jahre entfernt. Es handelte sich also um einen Betrugsversuch, der später von Indiegogo erkannt wurde. Das Projekt wurde anschließend von der Webseite genommen.

Die Lösung

Betrugsversuche wird es immer geben und auch Fehler, die zum Scheitern eines Projekts führen, können nie ganz eliminiert werden. Es gibt allerdings einige Maßnahmen, um hier nicht über den Tisch gezogen zu werden.

  • Erstens sollte man sich das Produkt gut ansehen. Nachforschungen, ob die Technologie überhaupt existiert und das Produkt so umgesetzt werden kann, sollten immer der erste Schritt sein.
  • Zweitens sollte man sich genau ansehen, wer das Produkt herstellen will. Je transparenter sich die Firma zeigt, um so besser. Welche Personen zeichnen sich verantwortlich? Haben sie bereits vorher ein Projekt erfolgreich abgeschlossen? Haben sie in diesem Themenfeld schon einmal gearbeitet?
  • Drittens sollte man sich die Motivation der Verantwortlichen ansehen. Handelt es sich um Leute denen das Projekt am wichtigsten ist und nicht irgendein Nebenprodukt, wie der Erziehungseffekt bei Wilsons Tochter? Ist das Produkt den Verantwortlichen vielleicht sogar zu wichtig und sie vergessen vor lauter Enthusiasmus sich um die Logistik zu kümmern?
  • Viertens: Verspricht der Projekt-Verantwortliche die Spenden im Falle des Scheiterns auch zu hundert Prozent zu erstatten? Nur dann besteht auch ein Rechtsanspruch auf die Rückerstattung des Geldes.
  • Und zu guter Letzt: Man sollte nur so viel Geld spenden, wie man es notfalls entbehren kann, ohne, dass der Verlust weh tut. Wer 20 US-Dollar in Projekt steckt, aus dem nichts wird, bei dem sind am Ende nur die Gefühle verletzt.
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