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Florian Warnecke im Interview: Fotografieren, Naturschutz & mehr

Für Florian Warnecke hängt das Fotografieren und der Naturschutz unmittelbar zusammen. Im besten Fall möchte er mit seinen Bildern Menschen sensibilisieren – aufmerksam machen auf die fragile Schönheit der Natur. Wir haben uns mit ihm über seine Arbeit unterhalten.

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Florian Warnecke im Interview

Florian Warnecke betreibt in vierter Generation ein Feinkostgeschäft im bayerischen Murnau. Was das mit seiner Fotografie zu tun hat? Auf den ersten Blick nicht viel – möchte man meinen. Und doch schließt sich der Kreis, man muss nur einige Jahrzehnte zurückblicken. Aber der Reihe nach.

DigitalPHOTO: Herr Warnecke, wir zeigen hier in erster Linie Ihre Wildlifebilder. Sie fotografieren aber auch Landschaften. Haben beide Genres für Sie den gleichen Stellenwert?

Florian Warnecke: Genau, ich fotografiere nicht nur Tiere, einfach weil die Wildlifefotografie in meiner näheren Umgebung schwer umsetzbar ist. Wildlifebilder erstelle ich daher zum ganz großen Teil auf Foto-Touren, wie zum Beispiel in Griechenland, wo ich kürzlich war, um Pelikane zu fotografieren oder Moschusochsen und Polarfüchse, die ich in Norwegen aufgenommen habe.

In meiner Region bestimmt leider der Tourismus die Natur, sodass man kaum an wilde Tiere herankommt. Ich müsste nachts und mit Fotofallen arbeiten, um Wildtiere abzulichten, anders geht es gar nicht. Klar, Gämse und Steinböcke in den Bergen, die bekommt man vor die Linse, aber Rotwild in meiner Gegend – fast ausgeschlossen. Daher nutze ich die Zeit und nehme immer wieder auch Landschaften auf.

Da sind wir gleich bei einem Thema, das Sie sehr beschäftigt. Sie möchten das Naturbewusstsein der Menschen stärken. Wie kann das gelingen?

Zuerst einmal glaube ich, dass vielen Menschen die Natur wirklich am Herzen liegt, aber gerade auch durch Corona, stelle ich fest, dass sinngemäß gesagt wird: Wir haben viel verzichtet, jetzt sind wir wieder dran – da muss die Natur erst einmal hinten anstehen.

Auch habe ich das Gefühl, dass die Natur ein wenig zu einem Sportgerät verkommt, das am Wochenende für jeden parat stehen muss. Dabei wundere ich mich immer, dass die Leute überall volle Sachen hintragen können – aber leer den Müll wieder mitzunehmen, das schaffen sie dann nicht.

Wie kann man Menschen wieder sensibilisieren? 

Ich hatte es schon des Öfteren erlebt, dass ich hier in Murnau unterwegs war und von Einheimischen angesprochen wurde, die mich fragten, was ich denn fotografiere. Als ich dann sagte, dass ich gerade Wespenspinnen ablichte, waren sie völlig verblüfft, kannten die Tierart gar nicht, wussten also nicht, dass sie hier lebt.

Man muss den Leuten zeigen, was es für schöne Sachen gibt und wie fragil das ganze System eigentlich ist und wie alles miteinander zusammenhängt.

Sie arbeiten auch für den Naturschutz.

Ja, ehrenamtlich bin ich bei mir hier im Murnauer Moos als Naturschutzwächter für die Naturschutzbehörde unterwegs. Die Natur gibt mir so viel, da finde ich es absolut legitim, ihr ab und zu etwas zurückzugeben. Und wenn ich das auch mit meinen Bildern bewirken kann, wäre das natürlich ein absoluter Traum.

Apropos Traum. Als Kind haben Sie davon geträumt, Tierforscher zu werden. Heute forschen Sie mit der Kamera. Wurde der Traum erfüllt?

Als Kind habe ich natürlich Tierdokumentationen im Fernsehen verschlungen: „Expeditionen ins Tierreich“, „Tiere vor der Kamera“ u. s. w. Auch Tierbücher konnte ich auswendig – noch vor meiner Schulzeit. Ich habe immer gesagt, dass ich gar nicht in die Schule brauche, weil ich schon alles über Tiere wüsste. Draußen zu sein, Tiere zu beobachten, wie es die Filmemacher taten, das wollte ich auch.

Man kann die Tiere erforschen und Leuten näher bringen. Polarfüchse, Moschusochsen – diese Tiere wollte ich auch einmal in der freien Wildbahn sehen. Und die Fotografie gibt mir jetzt die Möglichkeit, das zu machen. Deswegen war es für mich klar: Sobald sich die Gelegenheit ergibt, reise ich nach Norwegen und fotografiere Moschusochsen.

Genau das haben Sie getan. Wie kam es dazu?

Ich bin als Gast bei einer geführten Tour in Norwegens Dovrefjell Nationalpark mitgefahren. Anders ist es für mich als Nicht-Vollzeitfotograf auch nicht möglich, ganz einfach, weil ich nicht die Zeit habe, mich wochenlang auf die Lauer zu legen, bis ich einem Tier begegne. Das würde ich gerne, aber es geht leider noch nicht. Ich bin auf solche Touren angewiesen.

Außerdem sollte man, gerade bei Tieren wie den Ochsen, einen erfahrenen Guide dabeihaben, der das Verhalten der Tiere lesen kann, denn wenn so ein 400-Kilo-Koloss mit 50 km/h auf einen zurennt, ist das nicht lustig. Die Tiere schauen so pomadig aus, aber die können richtig Gas geben. Da braucht es einen ortskundigen Führer.

Wonach suchen Sie Ihre Touren aus? 

Mich zieht es tendenziell immer in den Norden – nach Island, Schweden oder Norwegen. Darüber hinaus bin ich in den letzten Jahren viel in Slovenien, weil ich dort inzwischen selbst Workshops leite. In diese Ecke Europas habe ich mich ziemlich verliebt, weil die Landschaft einfach so wahnsinnig schön ist.

Im Frühjahr und im Winter bin ich dann meistens eben wegen der Nordlichter irgendwo in Island oder in Norwegen. Ich mag es, an Orte zurückzukehren, an denen ich schon war, um das Land oder den Platz oder die Tiere einfach noch besser kennenzulernen – und dann mit der gewonnenen Erfahrung vom Vorjahr noch bessere Bilder machen zu können. Mitte September war ich bereits zum fünften Mal in Island.

Es gibt immer wieder Neues zu entdecken.

Gibt es Jahreszeiten, die Sie besonders mögen? Und wie sieht es mit Lichtbedingungen aus?

Ich bin ein absoluter Herbstfan. Die warmen, goldbraunen erdigen Farben und das weiche Licht empfinde ich als traumhaft schön. So war es auch bei meiner ersten Moschusochsen-Tour – zum Höhepunkt des Herbstes. Da war ich fast zu Tränen gerührt vor Freude, als ich dieses Naturspektakel gesehen habe.

Ein buntes Farbenmeer und mittendrin die wilden Ochsen mit ihren Kälbern – das war schier unbeschreiblich. Ansonsten gehe ich mit keinem Wunschgedanken in die Natur, sondern nehme dankend an, was die Natur mir bietet.

Wie hat das mit der Fotografie für Sie eigentlich angefangen? Gab es einen Auslöser?

So richtig los ging es im Studium. Ich habe Geografie studiert und begonnen, auf unseren Exkursionen zu fotografieren. Zu der Zeit war ich noch aktiv als Eishockeyspieler – mein Vater hat für den Verein die Webseite gestaltet und sich für die Spielerporträts eine Spiegelreflexkamera gekauft.

Die Kamera durfte ich später auch auf meinen Exkursionen mitnehmen und dann habe ich angefangen, Bilder von meinen Touren auf Facebook hochzuladen. Daraufhin hat mich ein alter Bekannter angeschrieben, der mich ermunterte, mich fotografisch weiterzuentwickeln. Mit ihm bin ich später auch auf viele gemeinsame Fototouren gegangen.

Er sagte mir zum Beispiel, dass ich ein Stativ brauche und dass ich in Zukunft immer eines dabeihaben werde. Anfangs habe ich ihn belächelt, jetzt gehe ich auf keine Tour mehr ohne Stativ. Er hat mir damals auch zwei österreichische Landschaftsfotografen genannt, die ich mir ansehen sollte, weil deren Bilder so toll sind.

Heute sind die beiden gute Freunde von mir: Rainer Mirau und Andreas Resch – so spielt das Leben.

Wie teilen Sie sich die Zeit für Ihre Fotos ein? Sie sagten, dass Sie kein Vollzeitfotograf sind.

Im Januar 2009 habe ich das familieneigene Feinkostgeschäft in vierter Generation übernommen. Seitdem hat sich nebenbei auch die Fotografie entwickelt. Die Selbständigkeit erlaubt es mir, mich anders zu bewegen, als wenn ich angestellt wäre.

Meine Mutter arbeitet im Laden und eine Aushilfe, sodass der Laden offen bleiben kann, wenn ich auf Fototour bin. Für meine Kunden schaue ich aber schon, dass ich Jahr für Jahr immer etwa zur gleichen Zeit geschlossen habe, damit sie sich darauf einstellen können. Mein Urgroßvater hatte im Übrigen im selben Haus auch ein Fotogeschäft. Er war Fotograf.

In mir hat sich quasi nun beides vereinigt und es gibt jetzt wieder zwei getrennte Schaufenster, eins für Lebensmittel und eins, in dem ich meine Fotos ausstelle – ganz wie zu Urgroßvaters Zeiten.

Eine Sache müssen Sie uns noch erzählen: Sie haben sich extra einen fotografischen Unterschlupf gebaut, um Wildvögel zu fotografieren?

Richtig, auf dem Grundstück eines Bekannten durfte ich ein Versteck einrichten (s. Galerie oben), von dem aus ich auf Augenhöhe z. B. Rot- oder Schwarzmilane fotografieren kann. Ich habe schon länger den Gedanken gehabt, eine Hütte in den Boden zu graben, damit ich nicht immer von oben herab fotografieren muss.

Auf meinen Reisen habe ich mir sämtliche Verstecke, die ich besucht habe, angesehen und mir überlegt, wie ich so etwas umsetzen könnte. Dann ergab sich die Möglichkeit und wir legten los. Jetzt lugt nur noch die Scheibe aus dem Boden heraus, den Rest haben wir eingegraben, damit es nicht auffällt.

Über den Fotografen

In Nürnberg geboren, lebt Warnecke mittlerweile in Murnau am Staffelsee – und betreibt dort das familieneigene Feinkostgeschäft in vierter Generation. Sein Urgroßvater, selbst Fotograf, betrieb im selben Haus ein Fotogeschäft. Heute nutzt Warnecke, wie früher, einen Teil des Ladens für Lebensmittel und ein Schaufenster für seine Naturfotos.

Warnecke studierte an der Universität Innsbruck. Ehrenamtlich ist Warnecke, der fast Eishockey-Profi geworden wäre, als Naturschutzwächter für die untere Naturschutzbehörde unterwegs.

www.part-of-nature.com

Instagram: florian_warnecke_fotografie