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Macs mit M1-Chip: Apples großer Wurf

Am Dienstagabend deutscher Zeit hat Apple sie enthüllt: die ersten Macs mit dem hauseigenen Turbo-Antrieb des M1-Chips. Warum ist der Schritt weg von Intel so wichtig für Apple?

Bei Apples Produktpräsentationen sieht immer alles ganz leicht aus: Die in aller Regel gute Bedienbarkeit von Software ist letztlich ganz logisch, so dass es eigentlich gar keinen anderen Weg geben kann und auch komplexeste Hardwareneuerungen gelingen Apple wie von Zauberhand. In Wahrheit stimmt natürlich beides nicht. Wie Apple Software gestaltet ergibt sich eben nicht von selbst, sondern ist das Ergebnisse unzähliger Arbeitsstunden und immer wieder verworfener Konzepte. Und der nun in den ersten Macs vollzogene Wechsel von Intel- auf hauseigene ARM-Chips ist mit dem vielzitierten Bild der Operation am offenen Herzen treffend umschrieben. Schließlich gibt es doch unzählige Dinge, die dabei schiefgehen können. Und selbst wenn alles glatt läuft, geht der Umstieg an keinem der Beteiligten spurlos vorüber.

Was ist eigentlich arm?

Bei der ARM-Architektur handelt es sich um ein Mikroprozessordesign, das bereits 1983 vom britischen Unternehmen Acorn entwickelt wurde. Anders als beispielsweise Intel fertigt ARM (ursprünglich eine Abkürzung für „Acorn RISC Machines“, später „Advanced RISC Machines“), das seit 1990 eine Ausgründung von Acorn ist, keine eigenen Prozessoren, sondern vertreibt Lizenzen für das Design, auf dem andere aufbauen können. Neben der Entwicklerlizenz können sogenannte „IP-Cores“, wie etwa CPU-Kerne der ARM-Cortex-A-Reihe, erworben werden. Dazu hat sich unter anderem Apple entschieden und nennt die eigenen iPhone-Prozessoren auch deshalb etwa A13.Man kann mit Fug und Recht behaupten, dass ARM die populärste Prozessorfamilie der Welt ist.
Während es mehrere Milliarden Intel-PCs auf der Welt gibt, gehen selbst konservative Schätzungen von deutlich über 100 Milliarden ARM-Geräten aus. Angefangen bei Computern über die Apple Watch bis hin zu Haushaltsgeräten, von denen man ohnehin gerne einmal vergisst, dass auch sie inzwischen Computer sind.Für Apple sind ARM-Chips nichts Neues. Inzwischen gehört es fast schon zum Allgemeinwissen von Apple-Fans, dass sämtliche neuartigen Apple-Geräte, wie iPhone, iPad, Apple Watch und Apple TV, mit ARM-Prozessoren ausgestattet sind. Tatsächlich aber brachte Apple schon 1993, 14 Jahre vor dem iPhone, das erste eigene Gerät mit einer ARM-Recheneinheit auf den Markt: den Newton, der gewissermaßen als Großvater des iPhone gilt.



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Welche Auswirkungen hat der Wechsel?

Für Apple ist der größte Nutzen aus dem Umstieg auf die eigenen ARM-Chips zu erwarten. Dafür steht Apple selbst aber auch am meisten im Risiko. Denn ja, man wird auf diesem Weg Kosten einsparen und sich gleichzeitig von Intels Zeit- und Entwicklungsplänen lösen können. Aber wenn der Schritt misslingt, steht der Mac, dessen Ruf sich gerade erst gebessert hat (Nach den Debakeln um den Mac Pro, fehleranfällige Tastaturen und aus der Zeit gefallenen MacBook-Air-Modellen), direkt wieder im Feuer.

Für Intel dürfte sich der wirtschaftliche Schaden in Grenzen halten. Schätzungen zufolge ist Apple gerade einmal für nicht mehr als 5 Prozent der Umsätze verantwortlich und macht weltweit keine 10 Prozent des Computer-Marktes aus.

Viel schlimmer ist für Intel die Schmach, die es gerade zu erleiden gilt. Nicht nur, dass man sich ständigen Angriffen von AMD ausgesetzt sieht, nun zieht auch noch Apple, das bis vor wenigen Jahren überhaupt keine Computer-Chips konstruiert hat an ihnen vorbei und lässt Intel dabei noch deutlich älter aussehen, als das Unternehmen ist. Ende der 1960er Jahr gegründet, fertigt Intel seit 1971 Mikroprozessoren und war damit so erfolgreich, dass der Name Intel mindestens in den 1990er-Jahren praktisch so Synonym für PC-Prozessoren war wie es „Tempo“ für Papiertaschentücher ist.

Dass Apple nun eigene Chips fertigt, die nicht nur leistungstechnisch in vielen Bereichen mit Intels Prozessoren mithalten können oder sie sogar in den Schatten stellen, sondern die dabei auch noch effizienter sind ist, gelinde gesagt, peinlich für den Chip-Giganten.

Wie sich der Umstieg von den Intel- auf Apples ARM-Chips für Anwendungsentwickler gestalten wird, ist noch nicht ganz abzusehen. Apples Hoffnung und Versprechen ist, dass sich die Vereinheitlichungen der Systemarchitekturen von iPhone, iPad und Mac positiv auswirken wird – sowohl auf den Arbeitsaufwand für Entwickler als auch auf die Vielfalt verfügbarer Apps auf allen Geräten. Aus Entwicklerkreisen hören wir dazu unterschiedliche Aussagen, die sich auf eine letztlich vollkommen erwartbare Formel herunterbrechen lassen: bei simpleren Apps ist der Umstieg leichter, bei komplexeren Anwendungen schwieriger. Auch wenn die Entwickler, die Apple während der Präsentation zu Wort kommen ließ, naturgemäß etwas euphorischer waren.

Am Ende der Nahrungskette, in maximal möglicher Distanz zum Chip selbst, sitzt der Anwender. Für ihn gibt es mindestens in der Übergangsphase viel Licht, aber auch Schatten. Denn natürlich ist es ein riesiger Vorteil, dass die ARM-Chips leistungsstärkere und zugleich effizientere Macs verheißen. Auch, dass Apps, die Entwickler ursprünglich für iPhone oder iPad geschrieben haben, nun „einfach so“ (mit deutlichen Anführungszeichen) auf dem Mac laufen, ist genial. Auf der anderen Seite steht zu befürchten, dass gerade softwaretechnisch nicht alles von Anfang an rund laufen wird.

Es wird diverse ältere und nicht mehr wirklich gepflegte Programme geben, die schlicht über die sprichwörtliche Klinge springen werden. Anwendungen, bei denen sich der Aufwand für die Entwickler nicht lohnt, sie am Leben zu erhalten. Ihr unweigerlicher Tod wird mit dem Ende von Rosetta 2 (siehe Kasten unten) kommen.

alte software auf neuen macs

Besonders brisant, das hat Apple in der Vergangenheit gelernt, sind bei solch grundlegenden Veränderungen die Übergangszeiten. Die Phasen also, in denen zwei Systeme parallel existieren und auch beide aktuell sind. Deshalb werden Entwickler in dieser Zeit, die sicherlich fünf, sechs vielleicht noch mehr Jahre andauern wird, Apps entwickeln können, die auf beiden Plattformen, Intel und ARM, lauffähig sein werden. Das neue Betriebssystem macOS 11 Big Sur liefert dafür gleich mehrere Technologien. Mit Xcode 12 entwickelte Apps können direkt als „Universal 2“-Programme kompiliert und somit sowohl auf Intel- wie auch auf ARM-Macs installiert werden. Parallel dazu verpasst Apple einem anderen alten Bekannten ein Update. „Rosetta 2“ soll dafür sorgen, dass bereits bestehende Mac-Apps, die noch nicht auf ARM angepasst wurden, trotzdem auf den neuen Macs ausgeführt werden können. Die Namensgebung des letztgenannten Werkzeugs ist dabei besonders gelungen. Bei dem eigentlichen „Stein von Rosette“ – oder dem Rosetta Stone, wie er als Ausstellungsstück seit 1802 im British Museum in London heißt – trug maßgeblich zur Entschlüsselung und Übersetzung ägyptischer Hieroglyphen bei, dass der Stein 196 v. Chr. mit dem gleichen Text in drei Sprachen versehen wurde. Und die Anwendung hilft bei der App-Übersetzung.

Direkt vorbei sein wird es allerdings mit nativ auf Macs startenden Windows-Installationen. Zumindest auf den neuen ARM-Macs. Apple hat bereits verlauten lassen, dass man kein Interesse daran habe, „Boot Camp“, das es Intel-Macs ermöglicht, Windows parallel zu macOS zu installieren, auf die kommenden Macs mit ARM-Chip zu bringen. Die Zukunft von Windows auf dem Mac liegt damit – zumindest sieht es bislang so aus – einzig und allein in Virtualisierungslösungen wie Parallels Desktop oder Virtualbox.

Denn zwar verfügt Microsoft über eine ARM-Version von Windows, diese ist aber selbst auf der eigenen Surface-Plattform bislang nur bedingt lauffähig und unterstützt teilweise nicht einmal andere Software aus dem Hause Microsoft. Ganz anders aussehen dürfte es in den Reihen der Linux-Enthusiasten. Das freie Betriebssystem, das auf allen möglichen Geräten von der Weltraumrakete über Super-Computer und Smartphones bis zum Toaster läuft, wird innerhalb kürzester Zeit auch auf den neuen ARM-Macs lauffähig sein.

Zu guter Letzt wird der Wechsel auf ARM perspektivisch der Hackintosh-Community einen schweren Schlag versetzen. Jenen Menschen also, die mit allerlei Tricks versuchen, macOS auf „normaler“ PC-Hardware laufen zu lassen. Schon jetzt sind dafür ganz bestimmte Hardware-Komponenten nötig und selbst wenn man diese verwendet, muss man oft so manche Einschränkung im Betriebsablauf hinnehmen. Spätestens ein paar Jahre nachdem Apple den letzten Intel-Mac hat vom Band laufen lassen, wird man hier endgültig einen Riegel vorschieben und die Unterstützung für Intel-CPUs komplett aus dem Betriebssystem streichen.

Aller guten Dinge sind Drei. Gilt das auch für Plattformwechsel?

Im März 1994 stellte Apple den ersten Mac mit einem PowerPC-Prozessor vor, den Power Macintosh 6100, und zeigte damit dem bisherigen Chip-Lieferanten Motorola gewissermaßen die Tür. Motorolas Fehler aus Apples Sicht – und die Geschichte gibt Apple Recht – war es, zu lange an dem bestehenden und natürlich auch gut funktionierenden CISC-Modell („Complex Instruction Set Computer“) festzuhalten, während IBM mit dem PowerPC auf RISC („Reduced Instruction Set Computer“) setzte, das deutlich schnellere Prozessoren ermöglichte.

Apple begründete den Schritt damals mit drei Argumenten, die uns auch am Abend der WWDC-Keynote 2020 wieder begegneten: Man brauchte schnelle Prozessoren, die nicht zu warm werden und die eine klare Roadmap für die zukünftige Entwicklung vorweisen können.

Motorola arbeitete zu der Zeit bereits an eigenen RISC-Prozessoren, was für Apple aber nicht schnell genug voranging.

Apple setzte also alles auf eine Karte und musste hoffen, Softwareentwickler bei Laune halten zu können, damit diese ihre Programme auf die neue Prozessorarchitektur anpassen würden. Außerdem musste Apple darauf vertrauen, dass die (potenziellen) Kunden die Vorteile der neuen Mac-Generation erkennen und entsprechend neue Computer kaufen würden.

Als zusätzlichen Anreiz schuf Apple den „Classic Mode“, der es erlaubte, (einige) ältere Programme auch auf den neuen Macs auszuführen. Ebenfalls etwas, was Apple nun zum zweiten Mal wiederholt.

Steve Jobs war zu der Zeit übrigens nicht Teil der Operation. Er war Jahre zuvor bei Apple rausgeflogen und konnte diesen Wechsel nur von den Zuschauerrängen aus verfolgen.

warum der wechsel zu ARM jetzt wichtig ist

Johny Srouji gehört zu den wichtigsten unter den weitgehend unbekannten Apple-Mitarbeitern. Der 1964 geborene Computer-Ingenieur wurde schon 2008 von dem damaligen Leiter der Hardewareentwicklung, Bob Mansfield, zu Apple gelotst, um ein eigenes Entwicklerteam aufzubauen. Unter anderem mit den ebenfalls neuen Mitarbeitern von P.A. Semi, dem Startup, das Apple gerade aufgekauft hatte. Srouji leitete bereits die Entwicklung des Apple-A4-Prozessors, der mit dem ersten iPad 2010 vorgestellt wurde und auch Anwendung im iPhone 4 fand. Seit Ende 2015 ist Srouji als Senior Vice President für Hardwaretechnologie Teil der Führungsriege von Apple. Srouji war es auch, der während der WWDC (World Wide Developer Conference) dieses Jahres erklärte, worin die Stärke von Apple in Verbindung mit ARM liege: Man könne nun Prozessoren fertigen, die perfekt auf den Mac abgestimmt seien. Ein Teil der Entscheidung läge dabei in der Leistungsfähigkeit der eigenen Prozessoren begründet. Srouji ließ es sich nicht nehmen, noch einmal darauf zu verweisen, dass der Chip im iPad Pro von 2018 das Tablet zu einem schnelleren Gerät machte, als es die meisten Laptops zu der Zeit waren und weitestgehend bis heute sind, was zumindest in bestimmten Bereichen tatsächlich stimmt.Es gehe aber nicht nur um Leistung allein, so Srouji. Vielmehr gehe es um „Performance pro Watt“, also die Frage, wie viel Energie man in den Prozessor stecken muss, um ein bestimmtes Leistungsniveau zu erreichen. Und das, ohne dass zu viel Energie in Wärme umgewandelt wird.

Während PowerPC-Prozessoren für Jahre die Nase auch im Vergleich mit Intel deutlich vorn hatten, war dieser Vorsprung schon nicht mehr so deutlich, als Steve Jobs 1997 zu Apple zurückkam. Bei Apple wusste man natürlich, dass man mit den PowerPC-Prozessoren zunehmend ins Hintertreffen geraten würde. Dennoch dauerte es bis zum 6. Juni 2005, dass Steve Jobs den Wechsel von PowerPC- zu Intel-Prozessoren verkündete.

In einem viel beachteten Auftritt begründete Jobs den Schritt damit, dass man die besten Computer für die eigene Kundschaft bauen wolle. Vor zwei Jahren habe Apple von dieser Bühne einen Power Macintosh G5 mit 3-GHz-Prozessor versprochen und dieses Versprechen nicht halten können. „Ich glaube, viele von euch hätten auch gerne einen G5 in ihrem PowerBook, und wir konnten das bislang nicht liefern“, so Jobs weiter.

Der wichtigste Grund für den anstehenden Wechsel sei aber ein anderer gewesen: „[…] obwohl wir jetzt großartige Produkte haben und obwohl wir einige großartige Produkte geplant haben … wenn wir vorausschauen, können wir uns einige fantastische Produkte vorstellen, die wir für euch bauen wollen, aber wir wissen nicht, wie wir das mit den kommenden [PowerPC-Prozessoren] machen sollen.“

Wenn man sich Intel anschaue, dann hätten sie großartige Leistungswerte, aber eine andere Sache wäre ebenso wichtig: die Leistungsaufnahme. Die Frage, die man sich stelle, sei: Wie viel (Rechen-)Leistung bekommt man für jedes Watt? Wenn man sich die Roadmap für PowerPC ansehe, käme man auf einen Wert von 15, Intel aber verspräche 70, und damit wäre klar, was zu tun sei.

Eine Erklärung, die fast wortgleich auch Anwendung auf den Wechsel von Motorolas 68000er-Chips zur PowerPC-Plattform hätte finden können. Und jetzt erneut auf den Wechsel von Intel zu ARM.

Fazit

Dass der Weg weg von Intel der richtige ist, hat Apple mit dieser Präsentation eindrucksvoll bewiesen. Nichts anderes war allerdings mit Blick auf die vergangenen Jahre und die rasante Entwicklung der Apple-Chips in iPhone und iPad zu erwarten gewesen.

Trotzdem gilt: Noch hat niemand von uns einen M1-Mac in Händen gehabt, noch wissen wir nicht, wie sie sich in der „echten“ Welt bewähren werden. Aber keine Sorge: Sowie das neue MacBook Air, MacBook Pro oder der neue Mac mini verfügbar sind, wirst du hier einen ausführlichen Bericht dazu lesen.

Wie es in den kommenden Monaten im Detail weitergehen soll, ist weitestgehend ungewiss. Der große Plan aber steht: innerhalb von zwei Jahren wird Apple die Produktion von Intel-Macs komplett einstellen. Wer nicht vorhat, in unmittelbarer Zukunft einen neuen Mac zu erwerben, muss allerdings nicht in Sorge verfallen: Intel-Macs werde macOS noch für viele weitere Jahre unterstützen, so Apple.

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