Schon länger bietet Amazon mit der Kindle-Fire-Serie eine eigene Tablet-Modellreihe an, deren Benutzererfahrung tief mit dem Einkauf beim Onlinekaufhaus verzahnt ist. Mit dem Kindle Fire HDX 8.9 schickt Amazon nun seinen absoluten Champion ins Rennen, um die Tablet-Krone zu erobern – unser Test zeigt, ob die edle Hardware genügt, um den klassischen Android-Tablets Paroli zu bieten.
Soviel sei verraten: Wir reden hier bewusst vom Vergleich mit „klassischen“ Androiden, denn mit denen hat das Kindle Fire HDX 8.9 zumindest in Sachen Bedienung nur wenig gemein. Amazon setzt erneut auf die hauseigene Betriebssystementwicklung Fire OS 3.0, die zwar auf Android basiert, dabei aber sämtliche Google-Dienste zugunsten der Amazon-Derivate und einer angepassten Oberfläche rausschmeißt. Hardwaremäßig liefert Amazon mit einem immer noch zeitgemäßen Snapdragon 800-SoC, 2 GB RAM und einem mit 2.560 x 1.600 Pixeln hochauflösenden Display eine mehr als ordentliche Basis.
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Wir testen die Einsteigervariante des Kindle Fire HDX 8.9 mit 16 GB Speicher, wovon rund 12 GB für Apps und Medien zur Verfügung stehen, sowie WiFi-Konnektivität, die Amazon für 379 Euro anbietet. Alternativ könnt ihr für jeweils 50 Euro mehr Varianten mit 32 beziehungsweise 64 GB Speicher erwerben. Die entsprechenden Versionen mit LTE-Mobilfunk kosten jeweils 100 Euro mehr - hier platziert Amazon sein Top-Tablet also etwas unter der Preisstruktur von Apples iPad Mini mit Retina-Display.
Display und Verarbeitung: High-End durch und durch
Bevor wir uns mit den Eigenheiten der Android-Fork beschäftigen, kommen wir auf die Hardware des Kindle Fire HDX zu sprechen – und hier können wir Amazon kurz und knapp eine hervorragende Arbeit attestieren. Das Gehäuse des Kindle Fire HDX 8.9 mit seiner komplett schwarzen Front, einem stabilen Kunststoffrahmen und einer gummierten Rückseite punktet nicht nur durch eine sehr gute Verarbeitung, das Tablet liegt auch hervorragend in der Hand und kann dank seines geringen Gewichts von 368 Gramm problemlos über einen längeren Zeitraum gehalten werden. Die Rückseite wird neben einem Amazon-Logo auch von den Stereo-Lautsprechern und einer 8 Megapixel-Kamera samt LED-Blitz geziert, wobei beide Komponenten in einem abgesetzten Plastikstreifen eingelassen sind.
Clever hat Amazon die Platzierung von Lautstärkeregler und Einschaltknopf gelöst. Diese wurden in die Rückseite eingelassen und lassen sich bei der Benutzung im Querformat sehr gut mit den beiden Zeigefingern ertasten, was uns in der Praxis besser gefällt als die klassische Platzierung am äußeren Rand. Einen Homebutton gibt es nicht, da die Bedienung von Fire OS 3.0 komplett gestengesteuert funktioniert. Der eigentliche Star ist aber das 8,9 Zoll-Display: Nicht nur erreicht Amazon mit einer Pixeldichte von 339 ppi ein gestochen scharfes Bild, sondern liefert in Sachen Helligkeit und Farbwiedergabe mit das Beste, was wir im Tablet-Bereich bislang gesehen haben.
So ist das Kindle Fire HDX 8.9 im direkten Vergleich heller als das schon sehr gute iPad Mini Retina und kann sich durchaus mit dem Display-Primus iPad Air messen. Vor allem die Farbbrillanz des Amazon-Tablets beeindruckt uns. Filme und Fotos werden durchgehend natürlich wiedergegeben. Ein kleiner Fleck auf der ansonsten blütenweißen Display-Weste ist die vergleichsweise starke Spiegelung. Dennoch konnten wir das Kindle Fire HDX 8.9 durchaus auch unter freiem Himmel verwenden – hier hat Amazon schlicht und einfach einen guten Job gemacht.
Bedienung und Betriebssystem: Das Konsum-Android
Wie eingangs erwähnt dürft ihr euch bei der Nutzung des Kindle Fire HDX 8.9 auf das volle Amazon-Programm einstellen. Das Tablet ist schon nach der Bestellung auf euer Amazon-Konto registriert, sodass ihr direkt beim E-Commerce-Riesen einkaufen könnt. Besonders prominent werden dabei natürlich die Video-, Musik-App und E-Book-Angebote platziert. So lassen sich gekaufte Kindle-Bücher direkt aus der Amazon-Cloud herunterladen und auf dem Tablet weiterlesen, auch der Video-Dienst Amazon Prime Instant Video ist direkt in die Oberfläche integriert – und zwar zumindest in der Android-Welt exklusiv bei den Kindle Fire-Tablets, da Amazon ansonsten lediglich eine Instant Video-App für das iPad anbietet.
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Auffälligstes Merkmal ist das "Karussell" auf dem Homescreen von Fire OS 3, auf dem der Kindle Fire die zuletzt gekauften und verwendeten Apps und Medien präsentiert. Das erinnert an Apples "Coverflow" und dürfte gerade für Tablet-Neulinge intuitiver sein als klassische Android-Startbildschirme mit ihren Apps und Widgets. Über die Reiter wechselt ihr schnell in die verschiedenen Bereiche wie "Musik", "Bücher", "Apps" und "Video", wobei die Grenze zwischen euren Inhalten und dem Shop von Amazon stets dünn ist.
Kurzum: Fire OS 3 ist vor allem auf den Amazon-Konsum ausgelegt – was ihr gegebenenfalls schon beim Entsperren des Tablets merkt. Falls ihr nicht schon beim Kauf des Kindle Fire HDX 15 Euro in die Version ohne "Spezialangebote" investiert, wird euer Lockscreen nämlich fortlaufend mit Werbung für Amazon-Angebote gefüllt.
Das alles funktioniert wunderbar und wer sich ohnehin regelmäßig in der Medienwelt von Amazon eindeckt, wird am Kindle Fire HDX 8.9 seine Freude haben. Allerdings gibt es eine gewaltige Kehrseite: Während ihr fast alles, was das Kindle Fire HDX kann, dank passender Amazon-Apps für Kindle, Amazon Cloud und Co. auch auf jedem x-beliebigen Android-Tablet oder auch dem iPad machen könnt, gilt dies umgekehrt leider nicht. Durch den Verzicht auf sämtliche Google-Dienste und natürlich Googles Play Store seid ihr für den Bezug von Apps komplett auf das Angebot im Amazon Apps Store angewiesen – und das ist leider meilenweit von der Qualität des Google-Angebots entfernt. So "glänzt" der Amazon-Store unter anderem durch komplette Abwesenheit von Cloud-Diensten. wie Dropbox, Google Drive oder Microsoft OneDrive – Amazon will hier offensichtlich seine eigenen Cloud-Anwendungen pushen.
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Immerhin könnt Ihr mit Apps wie ES File Explorer auf die Dienste zugreifen, komfortabel ist das allerdings nicht. Mit Amazon konkurrierende Video-Dienste wie Watchever oder Maxdome fehlen ebenso, während ihr immerhin eine Kindle-optimierte Version von Spotify findet. YouTube-Videos müsst Ihr anstelle einer App über den vorinstallierten Silk-Browser ansehen, zu dem es ebenfalls keine Alternativen wie Chrome oder Opera gibt. Der Browser verrichtet zwar insgesamt gute Dienste und erreicht im Test auf HTML5Test.com immerhin 474 von 550 Punkten, allerdings werden alle besuchten Seiten standardmäßig durch die Amazon-Cloud gejagt, um die Ladezeiten zu optimieren.
Das funktioniert zwar, ist allerdings im Hinblick auf die Privatsphäre nicht jedermanns Sache – wollt ihr dies nicht, deaktiviert in den Einstellungen die Funktion "Seiten schneller laden". Neben fehlenden Apps stolpern wir im Test immer wieder über Programme, die im Google Play Store in einer wesentlich aktuelleren Version vorliegen. Ob das an den Entwicklern oder Amazons App-Review-Politik liegt, sei dahingestellt, für den Nutzer bedeutet es letztlich aber eine funktionelle Einschränkung. Immerhin funktioniert der vorinstallierte E-Mail-Client mit den meisten Anbietern (inklusive Gmail) sehr gut und per Office-Apps und Dokumentexport über die Amazon-Server lässt sich durchaus auch produktiv auf dem Amazon-Tablet arbeiten. Doch der Hauptzweck des Kindle Fire HDX 8.9 mit seinem Fire OS ist ganz eindeutig der Medienkonsum über Amazon.
Performance: Nichts zu meckern
Nach so viel Kritik wieder zu etwas positiven: An der Leistung des Kindle Fire HDX 8.9 gibt es nahezu überhaupt nichts zu meckern. Der verbaute Snapdragon 800-SoC sorgt mit seinen vier auf 2,2 GHz getakteten Kernen und der Kombination mit einer Adreno 330-GPU in jeder Situation für ein ruckelfreies Arbeiten und Spielen. Die Wiedergabe von Full-HD-Inhalten, wie Filme, bringt das Amazon-Tablet ebenso wenig ins Schwitzen wie grafisch anspruchsvolle Spiele. Auch die Ladezeiten der Apps sind im absolut grünen Bereich, sodass das Kindle Fire HDX 8.9 in der alltäglichen Benutzung durchaus überzeugt.
Davon zeugen auch die ordentlichen Benchmark-Ergebnisse – vorausgesetzt, sie laufen durch, da wir die meisten Tools umständlich per Sideloading der APK-Datei aus dem Play Store auf den Kindle Fire HDX bringen müssen. So erreichen wir im Passmark-Benchmark sehr gute 4921 Punkte, im HTML5-Test der Vellamo Mobile Benchmark Suite holt das Amazon-Tablet ordentliche 2787 Punkte. Der Antutu 4-Benchmark wollte hingegen nicht durchlaufen und verabschiedete sich kurz nach dem Start kommentarlos mit einem Absturz.
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Im Spieletest haben wir hingegen keine Probleme. Shooter wie Dead Trigger 2 laufen butterweich auf dem Kindle Fire HDX. Eine unrühmliche Ausnahme stellt ausgerechnet der Silk-Browser dar, der beim Laden großer Seiten gelegentlich ins Stocken kommt und weniger flüssig zoomt als man es von anderen High-End-Tablets kennt. Das ist allerdings Jammern auf hohem Niveau, da der Gesamteindruck des Kindle Fire HDX 8.9 in Sachen Leistung mehr als positiv ausfällt. Auch bei der Akkulaufzeit gibt es nichts zu meckern. Amazon gibt selbstbewusst rund 12 Stunden Nutzungsdauer mit einer Aufladung an.
Beim Lesen von eBooks und Surfen im Web ist dies bei leicht reduzierter Helligkeit durchaus drin. Im Videodauertest mit einem heruntergeladenen HD-Film aus der Amazon-Videothek schaltet sich das Kindle Fire HDX 8.9 erst nach über 10 Stunden aus, wenn wir die Helligkeit auf 50 Prozent einstellen – und das ist immer noch mehr als hell genug für die meisten Lichtverhältnisse. Kurz: In Sachen Leistung macht Amazon faktisch alles richtig.
- Ob Helligkeit, Farbwiedergabe oder Kontrast, auf wenigen Tablets macht die Medienwiedergabe mehr Spaß als auf dem Kindle Fire HDX 8.9 - hier gebührt Amazon großes Lob
- Wer Musik, Filme, E-Books und Co. ohnehin regelmäßig aus dem Angebot des Online-Riesen bezieht, erhält mit dem Kindle Fire HDX das perfekte Medium dafür
- Der Amazon App Shop kann nicht mit dem Angebot des Google Play Stores mithalten. In der Praxis ist das Amazon-Tablet in Sachen Funktionen dadurch eingeschränkt